Netzwerken in Krisenzeiten: „Gemeinsam sind wir stärker“
Inken Steinhauser im Interview mit der Wirtschaft aktuell
Stadtlohn – 250 Mitglieder, 45 Jahre Verbandsarbeit – der AIW Unternehmensverband (Aktive Unternehmen im Westmünsterland) mit Sitz in Stadtlohn hat sich als Netzwerk in der Region etabliert. Worauf es beim Netzwerken – vor allem in Krisenzeiten – ankommt und welche Themen der AIW aktuell bespielt, erklärt Geschäftsführerin Inken Steinhauser im Interview.
Frau Steinhauser, Sie sind nun seit etwas mehr als ein Jahr Geschäftsführerin des AIW Unternehmensverbands. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?
Die vergangenen 14 Monate waren sowohl herausfordernd als auch inspirierend. Ich hatte das Privileg, zahlreiche Gespräche und Treffen mit vielen spannenden und interessanten Unternehmen und Partnern zu führen. Dabei habe ich festgestellt, dass die Herausforderungen für die Wirtschaft weiter zugenommen haben. Es gibt viel zu tun, um diese Themen anzugehen und Lösungen zu finden. Obwohl die wirtschaftliche Situation in Deutschland angespannt ist, gibt es im Kreis Borken viele Unternehmen, denen es nach wie vor gut geht. Diese Unternehmen zeichnen sich durch ein nachhaltiges und differenziertes Geschäftsmodell, eine starke Unternehmenskultur, kontinuierliche Innovation und Entwicklung sowie eine attraktive Arbeitgebermarke aus. Besonders hervorheben möchte ich das hohe Engagement von Unternehmern und Mitarbeitern sowie ihre Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen.
Der AIW agiert nun seit 45 Jahren als Unternehmensverband im Westmünsterland. Welchen Stellenwert haben solche Netzwerke aus Ihrer Sicht heute?
Der AIW hat sich als verlässlicher Partner für zahlreiche Unternehmen etabliert, die seit vielen Jahren Mitglied sind und den Mehrwert eines starken Netzwerks zu schätzen wissen. Ursprünglich als Industrieverband gegründet, umfasst unsere Mitgliedschaft heute neben Industrieunternehmen auch Dienstleister aus verschiedenen Branchen der Region Westmünsterland. Besonders in kritischen Zeiten ist Netzwerken unverzichtbar. Ähnlich wie im Marketing, wo antizyklisches Investieren ratsam ist, können Unternehmen gerade dann von unseren Strukturen und Angeboten profitieren, wenn ihre Zeitressourcen knapp sind. Der Austausch hilft, da viele Unternehmen vor ähnlichen Herausforderungen stehen und ihre Erfahrungen austauschen und voneinander lernen können. Es ist gut zu wissen, mit den Herausforderungen nicht allein zu sein – egal ob aus der Perspektive eines Geschäftsführers oder einer Fachkraft. Gemeinsam sind wir stärker.
Erst kürzlich haben Sie eine Befragung der rund 250 Mitglieder im AIW durchgeführt. Was waren die zentralen Erkenntnisse?
Die Befragung zeigte, dass es den meisten Unternehmen gut geht, einigen sogar sehr gut, während andere mit Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Die allgemeine Perspektive trübt sich jedoch zunehmend ein. Die wichtigste Rückmeldung war, dass sich die gesamtwirtschaftliche Lage sichtbar verschlechtert und der Fachkräftemangel das Wachstum hemmt – Aufträge müssen teilweise abgelehnt werden. Die Aufgabenvielfalt und die bürokratischen Anforderungen nehmen zu. Dennoch zeichnen sich die AIW-Unternehmen durch hohes Engagement aus, setzen sich frühzeitig mit gesellschaftlichem und digitalem Wandel auseinander und binden Kunden und Partner aktiv ein. Unsere Angebote adressieren die wichtigsten Themen und Herausforderungen der Unternehmen sehr gut. Der Wunsch nach persönlichem Austausch in der Region ist hoch. Unternehmen im Westmünsterland sind jedoch besonders gut darin, aktiv etwas zu unternehmen.
Ein Kernelement der Arbeit im AIW ist das Netzwerken. Wie setzen Sie das in die Praxis für Ihre Mitglieder um?
Der AIW ist eine Plattform für branchenübergreifendes Netzwerken und den Austausch von Erfahrungen. Wir organisieren verschiedene Formate, die den Bedürfnissen unserer Mitglieder gerecht werden: Netzwerken in spannenden Unternehmen bietet einmalige Einblicke, beispielsweise bei Früh- oder Spätschichten mit der Bürgermeisterin oder dem Bürgermeister, Unternehmensabenden oder Foren zu Energie beziehungsweise Nachhaltigkeit. Der AIW Business Lunch ermöglicht Netzwerken in der Mittagspause mit kurzen Impulsvorträgen und Gesprächen mit interessanten Mitgliedern. Darüber hinaus gibt es Interessengruppen zu Themen wie Fachkräfte, Nachhaltigkeit, Social Media, IT-Sicherheit und Nachfolge, die sich regelmäßig zum Austausch treffen. Die Themen kommen von den Mitgliedern selbst – wir bieten nur das an, was ihnen einen echten Mehrwert bringt. Und: Der AIW macht nur das, was andere nicht bereits tun, und lebt von den aktiven Beiträgen seiner Mitglieder. Enge, vertraute Zusammenarbeit und regionaler Austausch vor der Tür sind unsere Stärken. Man nimmt dabei immer neue Gedanken, Ideen oder Lösungsansätze mit.
Welche Schwerpunktthemen haben Sie für den AIW in den kommenden Monaten geplant?
Ein Schwerpunkt wird der fachliche Austausch zwischen Unternehmen und Fachkräften zu aktuellen Themen sein, wobei das Netzwerken weiterhin im Fokus bleibt. Relevant ist nach wie vor das Thema Fachkräftebindung und -gewinnung sowie die Gestaltung der Unternehmensziele mit bestehendem Personal. Dazu gehören die Nutzung von Social Media für Recruiting, die Förderung von Frauen in Führungspositionen, die Entwicklung neuer Arbeitsmodelle sowie die Gesundheit am Arbeitsplatz und die Reduktion von Mitarbeiterausfällen. Auf der AIW-Mitgliederversammlung im Mai haben wir in fünf kurzen Impulsen neue Konzepte zum Thema Fachkräfte vorgestellt, vom Studien-Trainee-Programm der Fachhochschule Bocholt bis zur Qualifizierung bestehender Mitarbeiter für neue Aufgaben. Nachhaltigkeit und CSRD-Berichterstattung sind ebenfalls wichtige Themen, da viele Unternehmen berichtspflichtig werden oder der zunehmenden Nachfrage von Kunden, Mitarbeitern und Stakeholdern antworten müssen. Der AIW unterstützt Unternehmen, in die Umsetzung zu kommen mit dem Ziel strategischen Mehrwert zu generieren. Ein weiterer großer Bedarf besteht im Bereich Künstliche Intelligenz, insbesondere wie der Einsatz von ChatGPT im Unternehmen gestaltet werden kann, und in der Nutzung von KI in Geschäftsprozessen. IT-Sicherheit ist angesichts aktueller Entwicklungen wichtiger denn je. Energie und Digitalisierung sind mittlerweile selbstverständlicher geworden, und Unternehmen wissen relativ gut, wie sie diese Themen angehen können. Der AIW kann kurzfristig auf Bedürfnisse und Wünsche reagieren und unterstützt Unternehmen dabei, sich zu vernetzen und weiterzuentwickeln.
Fragen: Anja Wittenberg