Unternehmen in Borken – Bürokratie schwächt die Wirtschaft!
Aus der deutschen Wirtschaft kommen derzeit gefühlt nur Hiobsbotschaften. Und wie sieht es lokal aus? ,,Unsere Wirtschaft ist vergleichsweise robust“, urteilt Berthold te Vrügt. Der Volkswirt ist Vorstand der Volksbank Westmünsterland und hat deshalb stets ein gutes Gespür über die Entwicklung der Unternehmen. Er sagt: ,,Die Stimmung war schon mal besser, aus unseren Gesprächen ergibt sich aber auch kein so negatives Bild, wie man erwarten könnte.“
Ein Indikator für die wirtschaftliche Entwicklung ist immer das Bauwesen. ,,Es geht leicht wieder aufwärts“, sagt te Vrügt und spricht von ,,ganz zarten Pflänzchen“, nachdem Neubauten zuletzt rar waren. ,,Wir gehen davon aus, dass die Leitzinsen im kommenden Jahr wieder sinken. Dann sollte auch wieder eine stabilere Phase folgen, in der sich das Bauen wieder lohnt.“ Kapital sei da, die Sparquoten hoch und die Realeinkommen gestiegen. ,,Wenn die Zinsen sinken und die Preise etwas nachgeben, sehe ich gute Vorzeichen. Wir müssen aber die Lage insgesamt differenziert betrachten.“
,,Super starke Basis“ Ein Treiber bei Investitionen und damit Krediten war in den vergangenen Jahren auch immer die Landwirtschaft. Der gehe es ,,derzeit ganz gut“, urteilt Berthold te Vrügt. Aufgrund des weiter unsicheren Marktumfelds und der Unsicherheit, ob die stabile Phase anhalte, hielten sich die Betriebe mit Investitionen derzeit aber noch zurück. Gleiches gilt für viele kleine und mittelständische Betriebe, die dem Westmünsterland ,,eine super starke Basis“ böten.
Die führt auch Inken Steinhauser auf die Frage an, was sie für die Zukunft optimistisch stimme. Die Geschäftsführerin des Unternehmensverbands Aktive Unternehmen im Westmünsterland (AIW) sieht die Lage in den einzelnen Branchen aber sehr unterschiedlich. Vor allem die Politik mache es den Unternehmen zunehmend schwer: ,,Die Unternehmen leiden unter der Bürokratie, die unglaubliche Ressourcen bindet, um irgendwelche Nachhaltigkeitsnachweise zu erstellen.“ Zudem beklagt sie fehlende oder falsche Impulse der Politik an die Wirtschaft. ,,Wenn jetzt keine klare Linie und deutliche Aussagen kommen, in welche Richtung es geht, und wenn es keinen erkennbaren Abbau von bürokratischen Hürden gibt, dann werden wir auch hier bei uns Stellenabbau und sogar Insolvenzen von bislang gesunden Unternehmen sehen“, glaubt Inken Steinhauser.
Eine ,,hohe Unzufriedenheit gerade in der Industrie“ beobachtet Sven Wolf, Leiter des Standorts Westmünsterland der IHK. Für den Kreis Borken bedeute das keine guten Nachrichten, ,,denn vier von zehn Arbeitsplätzen sind bei uns im produzierenden Gewerbe. Geht es also der Industrie schlecht, spürt das der Kreis Borken stärker als andere Regionen“. Die jüngste Konjunkturumfrage der IHK habe ergeben, dass die Stimmung in der Wirtschaft so schlecht ist wie seit den Coronajahren nicht. ,,Die wirtschaftspolitische Unsicherheit ist groß, die Investitionsbereitschaft aktuell klein und es ist keine Besserung in Sicht“, fasst Wolf zusammen. Einziger Lichtblick: ,,Unsere Stärke ist der breite Branchenmix. Wir haben Unternehmen mit Schwierigkeiten, aber auch einige, die gut unterwegs sind.“
Dazu gehört die Borkener Firma Fooke. Geschäftsführer Johannes Fooke sagt: ,,Wir haben volle Auftragsbücher bis weit ins Jahr 2026 hinein. Das Auftragsvolumen ist das höchste der Unternehmensgeschichte.“ Dabei kommt das Unternehmen aus einer sehr schwierigen Zeit. Denn mit dem Wegfall der Märkte in China und Russland mussten sich Fooke und sein Sohn Hendrik komplett neu orientieren. Rückgrat des neuen Erfolgs ist die Luftfahrt.
Luftfahrt pusht Fooke
Fooke ist sowohl für die Flugzeugindustrie als auch für die Raumfahrt ein wichtiger Partner. Bei Airbus gehöre man zu den 70 strategischen Partnern, sagt Johannes Fooke stolz. Zu den Kunden gehören auch illustre Namen wie Eurospace und Space-X, das Raumfahrt-Unternehmen von Elon Musk. Die Bedeutung für die Luft- und Raumfahrt führe laut Johannes Fooke auch dazu, warum er sich wegen der Zollankündigungen des künftigen US-Präsidenten Donald Trump keine allzu großen Sorgen mache: ,,Die USA hat in unserem Segment keinen eigenen Wettbewerber, sie kommen alle aus Europa. Deshalb sehen wir das aktuell entspannt.“
Einziges Hemmnis beim Blick auf die Zukunft ist aus Fookes Sicht die überbordende Bürokratie. ,,Wenn man sich all die Vorschriften wie zum Beispiel das Lieferkettengesetz ansieht, dann ist es schon Wahnsinn, was man dafür alles bereitstellen muss“, sagt der Unternehmer. ,,Wir haben mehrere Mitarbeiter nur damit beschäftigt, dass sie bürokratische Vorgaben abarbeiten. Ob die alle sein müssen, wage ich mal zu bezweifeln.“
Bei Christoph Hadder läuft Johannes Fooke mit der Ansicht offene Türen ein. Auch dem Geschäftsführer der Firma Nießing in Marbeck ist die Masse an Vorschriften ein Dorn im Auge. ,,Wenn wir eine Schornsteinanlage transportieren, brauchen wir einen ganzen Katalog an Dokumentation. Dieser Auswuchs an Bürokratie treibt die Kosten in die Höhe und ich verstehe es sehr gut, wenn es aus der Industrie heißt, dass die zu einem Standortnachteil wird“, sagt Hadder. Davon abgesehen aber ist auch er mit der Entwicklung des Unternehmens zufrieden. ,,Die Nachfrage ist noch da“, sagt er und betont, dass man angesichts der Gesamtlage mit Demut auf die Situation schauen muss.
Denn im Gegensatz zu anderen Branchen seien die Schadstoffreduzierung und Luftreinheit, in denen Nießing zu Hause ist, zentrale Themen in vielen Bereichen. Die Spannbreite der Marbecker Kundschaft reicht von der Industrieanlage bis zur Luxusyacht. Auch in Marbeck herrscht deshalb Optimismus vor, was die nächsten Jahre anbelangt.
Autor: Sven Kauffelt
Quelle: Borkener Zeitung_Bürokratie schwächt die Wirtschaft_21.11.2024