Wenn 100 Betriebe gerne eine wissenschaftliche Abschlussarbeit begleiten würden, aber nur 30 Studierende zur Verfügung stehen, läuft irgendwas schief. Um diesem Ungleichgewicht entgegenzuwirken, hat der Studiengang Wirtschaftsingenieurwesender Westfälischen Hochschule am Standort Bocholt nun ein Studien-Trainee-Programm gestartet.
„Das ist genau das Richtige, um die Leute abzuholen, die sofort den Bezug zurPraxis haben wollen“, ist Heinz Hölker überzeugt von dem Konzept. Er leitet zusammen mit seinem Sohn Dennis Hölker das Unternehmen Rema Germany, das sich auf die industrielle Wiederaufarbeitung von Fahrzeugkomponenten spezialisiert hat. Jetzt ist es Kooperationspartner der ersten Stunde und hat am Montagnachmittag offiziell die Zertifizierung von den Professoren Dr. Christoph Brast und Dr.-Ing. Thomas J. Naber erhalten.
Ziel dieses neuen Modells ist es, besser auf die Bedürfnisse der Industrie einzugehen und gleichzeitig den Studierenden mit einem hohen Maß an Flexibilität und Praxisnähe sowie einem geregelten Gehalt entgegenzukommen. „Vom Abitur direkt ins Studium ist nicht das, was die Industrie braucht“, weiß Naber. „Die Leute müssen zumindest mal einen Schraubendreher in der Handgehabt haben.“ Und genau das soll das Studien-Trainee-Programm vom ersten Semester an vermitteln. Wenn dies am Ende in eine Festanstellung mündet, spricht Nabergerne von einer „Win-win-win“-Lösung. „Wir tun den Unter-nehmen, den Studierenden und der Region damit etwas Gutes“, meint der promovierteIngenieur. Denn auch der Fachkräftemangel insgesamt werde so abgefedert.
Das Konzept ist einfach: VierTage pro Woche geht es in die Hochschule und einen Tag in den Betrieb. Wer es schafft, kann denBachelor trotzdem in sechs Semestern durchziehen. Je nachindividuellen Bedürfnissenkann die Studienzeit aber auch auf sieben oder acht Semester gestreckt werden. Auch ein anschließender Master in Business Engineering ist möglich. „Es gibt Studienleistungen, die ohnehin in Kooperation mit einem Unternehmen erbracht werden müssen“, nennt Brasteinen weiteren Vorteil derStudien-Trainees.
Auch Dennis Hölker ist begeistert von dieser Lösung: „Ein Duales Studium hat oft den Nachteil, dass man von beidem wegen des Blockunterrichtsnicht 100 Prozent mitbekommt“, weiß er um den Unterschied. Und auch mit einem klassischen Werksstudenten sei das Programm nicht vergleichbar.„Der Unterschied dabei ist, dass wir alsHochschule koordinativ mit im Boot sind und Beratungsgespräche führen“, erklärt Brast. Heinz Hölker sieht in dem neuen Modell „eine Brücke“ für (Fach-)Abiturienten, die vielleicht nicht wissen, ob sie ein Studium oder eine Ausbildung machen sollen. In unternehmenseigenen Projekten könnten die Studien-Trainees direkt ihr erworbenes Wissen anwenden und später auch ihre Abschlussarbeit im Betrieb schreiben. Zudem sei das Programm nachhaltig angelegt. „Azubis verlassen die Unternehmen später oft, weil sie studieren wollen“, weiß Naber. Wer aber studiere und einen Fuß in der Tür habe, bleibe seinem Unternehmen eher treu.
Neben Rema Germany hat die Westfälische Hochschule noch sieben weitere Betriebe während der Pilotphase überzeugt –und sogar schon die ersten Interessenten, für die das neue Modell ausschlaggebend für die Einschreibung war. „Es trifft auf sehr fruchtbaren Boden“, freut sich Christoph Brast.
Autor: Florian Schütte | Quelle: Allgemeine Zeitung / Gescherer Zeitung